#14 Claudia Wiesner – Die EU zwischen Realpolitik und Ideal

Corinne M. Flick spricht mit Claudia Wiesner, Professorin für Politikwissenschaft und Jean Monnet Chair für Europäische Integration, zum Thema: 

Die EU zwischen Realpolitik und Ideal

Hier ihre Aussagen im Auszug:

Ich finde, die EU bleibt unter ihren Möglichkeiten. Und das meine ich gar nicht im Sinne von politisch […] sondern das hat etwas mit Handlungsmöglichkeiten zu tun, von denen ich glaube, dass die EU sie nicht ausschöpft.

Was wir in der Corona-Krise sehen, ist sehr interessant aus staatstheoretischer, ideengeschichtlicher Hinsicht. Wir sehen quasi eine Reaktivierung von Kernbestandteilen nationaler Souveränität, die Staaten schließen die Grenzen, sie greifen zu hoheitlichen Instrumenten, sie schränken Grundrechte ein. Das ist den Notwendigkeiten der Krise geschuldet, das hat aber auch tatsächlich einen relativ einfachen Hintergrund – die EU hat keine hoheitlichen Institutionen.

Die EZB nimmt, und das finde ich sehr interessant, die gewachsene politische Rolle, die sie hat, an. Die EZB wird öffentlich wahrgenommen, sie ist nicht mehr die Zentralbank, die hinter verschlossenen Türen tagt, sondern die EZB sieht sich als politische Akteurin.

Es reicht nicht zu sagen, nur wenn die Bevölkerung glaubt, das Regime ist legitim, ist es auch legitim, sondern ich würde immer sagen, es gehören normative Kriterien dazu.

Es fehlt privaten Akteuren an Legitimität und an Legitimation. Sie sind weder gewählt noch vertreten sie irgendwelche Akteure wirklich repräsentativ […]  trotzdem können sie sehr gute Arbeit leisten.

Die EU hat hoheitliche Aufgaben der Mitgliedsstaaten an Frontex, eine privatwirtschaftliche Agentur, ausgelagert. Das ist ein großes Legitimationsproblem, denn es geht an den Kernbereich hoheitsstaatlicher Aufgaben, die übrigens im Kernbereich Menschen- und Bürgerrechte berühren.

Ein ergänzendes Statement zur EZB Entscheidung:
Vor dem Hintergrund einer kritischen Beurteilung der Demokratie- und Legitimitätsdefizite der Krisengovernance ist die BVerfG-Entscheidung folgerichtig: sie stellt die Frage, ob und inwieweit die EZB ihr Mandat überschritten hat. Die EZB hat formal nur eine geldpolitische Aufgabe, nimmt aber entscheidenden Einfluss auf die Wirtschaftspolitik im EU-Raum, ohne dass sie dafür mandatiert ist.
Letztlich berührt das Urteil also auch die grundsätzliche Frage, welche Institutionen und Akteure im EU-Raum mit welchem Mandat und welcher Legitimation welche Entscheidungen treffen dürfen.
Allerdings wird das Urteil diese Strukturen nicht ändern – und das ist weder Schuld des BVerfG noch der EZB, sondern liegt wiederum in dem komplexen und instransparenten Strukturen der Krisengovernance begründet. Das BVerfG kann nur auf diese hinweisen, ändern kann es diese Strukturen nicht, genauso wenig wie die EZB das kann. Dazu bedürfte es der im Podcast diskutieren Vertragsänderungen.

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