Wie ist der heutige Nationalismus zu verstehen?

Hier einige Ausführungen aus  unserem Convoco Band  Der Wert Europas in einer bedeutsameren Weltgeschichte und aus unseren Podcasts zu den Themen:

  • Warum der neue Nationalismus uns nicht verlassen wird, 

  • wir trotz Protektionismus eine weitere Welle von Globalisierung erleben, 

  • warum Nationalismus und Globalisierung zusammen gedacht werden müssen.

Nationalstaaten sind die Grundbausteine zur Bewältigung heutiger Herausforderungen

Yael Tamir erwartet für die Welt folgende Entwicklung:

Nationale Interessen werden an die erste Stelle gestellt. “Gut funktionierende Gesellschaftsverträge verpflichten alle Vertragsparteien auf die Schöpfung von Sozialkapital. Dieses Sozialkapital kommt den Angehörigen einer Gesellschaft zugute, die so für ihre Beiträge zu einer Volkswirtschaft belohnt werden.” Damit einhergehen wird eine restriktive Einwanderungspolitik.

„Der Nationalstaat ist nicht perfekt, aber auf absehbare Zukunft sind keine praktischen Alternativen in Sicht. Ohne ihn gibt es keine globalen Lösungen für globale Probleme.”

in: “Warum Nationalismus – Gedanken zu einer Europäischen Identität”, Convoco Edition 2020. – Yael Tamir –

Aus dem Nationalismus entsteht ein Skeptizismus gegenüber den internationalen Prinzipien und Normen, die die internationalistischen Ziele der alten Ära definierten

Dieser Skeptizismus zeigt sich gegenüber dem Welthandel, aber auch gegenüber den internationalen Institutionen. Dahinter steht das Phänomen, “dass Staaten subjektiv wahrgenommene Ungerechtigkeiten in globalen Beziehungen beseitigen wollen.” Aufstrebende Ökonomien sind darauf bedacht, ihre globale Rolle zurückzufordern, aber auch die USA fühlen sich ausgenutzt und verlassen bestehende Abkommen. Ein Beispiel: der Ausstieg aus dem nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA). 

in: “Das Ende einer Ära und der Beginn eines neuen Zeitalters: Strukturwandel in der europäischen Wirtschaft”, Convoco Edition 2020

“Bezüglich des Einflusses, den die nationale Identität und der Nationalismus auf einen neuen institutionellen Rahmen haben werden […] wäre meine Erwartung, dass wir viel weniger internationale Institutionen und mehr regionale Institutionen sehen werden.”
 in: “Decline & Change: Global Institutions in Transformation”, CONVOCO! Podcast #7, 18.04.2020. 

Nationale Entscheidungsgewalt wird eine stärkere Präsenz zeigen, maßgeblich Beziehungen formen sowie Streitigkeiten schlichten. Die Ermessensentscheidungen in der Wirtschaftspolitik werden einen größeren Platz einnehmen.” – Fredrik Erixon –

Die neue Grundlage grenzübergreifender Wirtschaftsintegration ist digital

“Die Digitalwirtschaft basiert auf Wissen, Humankapital, Forschung und Entwicklung, Innovationen sowie neuer Technologie.  […] Vornehmlich werden es Ideen sein, die die ökonomische Integration dieser neuen Ära vorantreiben werden.“ – Fredrik Erixon – 

in: “Das Ende einer Ära und der Beginn eines neuen Zeitalters: Strukturwandel in der europäischen Wirtschaft”, Convoco Edition 2020

Digitalisierung steht dem Protektionismus entgegen

In der Periode der Hyperglobalisierung (frühe 1990er Jahre-2008) nahm der Warenhandel viel schneller zu als die Industrieproduktion. Seit 2008 ist das nicht mehr der Fall. Der Prozess der Globalisierung ist zum Stillstand gekommen. Der Economist prägte den Begriff der Slowbalization: Diese Umkehr entstand durch Protektionismus, den es verstärkt seit 2009 zu beobachten gibt. Der Grund ist u.a. der neue Systemwettbewerb zwischen China und den USA. Systemkonflikte drücken sich in Handelskriegen aus, die sich durch Abschottung und Zölle auszeichnen. Dieser Entwicklung kann aber die Digitalisierung der Wirtschaft entgegen stehen. – Gabriel Felbermayr – 

vgl. “Europa und die globale Wirtschaftsordnung”, Convoco Edition 2020.

Die EU hat keine hoheitlichen Institutionen

“In der Corona-Krise sehen wir „eine Reaktivierung von Kernbestandteilen nationaler Souveränität. Das hat einen einfachen Hintergrund: die EU hat keine hoheitlichen Institutionen.”

“Die EU konnte auf die größten Teile dieser Krise gar nicht gemeinsam reagieren. Deswegen finde ich es an dieser Stelle auch nicht richtig, von nationalen Alleingängen zu sprechen.” – Claudia Wiesner –

in: “Die EU zwischen Realpolitik und Ideal”, CONVOCO! Podcast #14, 23.05.2020

Der Mensch wäre der Gewalt eines Weltstaats unentrinnbar ausgeliefert

“Die Staatsgewalt kann dem Bürger nur gerecht werden, wenn der Staat bürgernah denkt und handelt, wenn er nicht versucht, die Vielfalt der Kulturen annähernd in eine einheitliche Weltkultur zu zwingen, wenn die Voraussetzung einer Demokratie – das sich seiner Identität bewusste Staatsvolk – Realität bleibt. Die Bedeutung des Pluriversums von fast 200 Staaten auf dieser Erde wird insbesondere dem Menschen bewusst, der sich der Macht der ihn gegenwärtig bestimmenden Staatsgewalt entziehen will. Er kann auswandern, einwandern, Asyl begehren. Gäbe es nur einen Weltenstaat, der nach statistischer Wahrscheinlichkeit wohl eher Züge einer Diktatur als einer Demokratie trüge, so könnte dieser jeden Menschen in jedem Winkel der Welt erreichen. Er wäre dieser Staatsgewalt unentrinnbar ausgeliefert.– Paul Kirchhof –

in: “Freiheit – eine Antwort auf den Umgang mit dem Umgewissen”, Rechnen mit dem Scheitern, CONVOCO! Edition 2014.

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