In der neuen C! Edition Gleichheit in einer ungleichen Welt (2023) schreibt Corinne Flick:
“Es gibt viele Arten und Ausprägungen von Gleichheit: politische, rechtliche, ökonomische, soziale und – ganz grundlegend – die moralische Gleichheit der Menschen, die auf das Bedürfnis zurückgeht, Autor des eigenen Lebens zu sein. Es geht um Rechtsgleichheit, die Gleichheit der Verteilung (jedem das Gleiche an Macht, Ressourcen und Chancen der Bildung) und schließlich um die Gleichheit der Möglichkeiten und Bedingungen. Das war und ist bis heute das angestrebte Ziel. Erreicht ist es noch lange nicht.“
Die Edition ist jetzt im Buchhandel sowie unter anderem bei Amazon und Wallstein erhältlich – auch als Ebook. Lesen Sie hier die Thesen unserer Autorinnen und Autoren:
Gleiches ist gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Von diesem Grundsatz ist auszugehen, wenn es darum geht, Regeln und Systeme in einer Gesellschaft zu etablieren, um Gerechtigkeit herzustellen. Angesetzt muss auf makroökonomischer Ebene werden, nicht auf individueller, denn Individualität bedeutet, sich zu unterscheiden und eben nicht gleich zu sein.
Die Corona-Pandemie und die Energiekrise haben den Staat immer mehr in die Rolle des Garanten bestehenden Wohlstands gebracht. Die Politik sieht sich in der Pflicht, Bürgerinnen und Bürger gegen schicksalhafte Wendungen aller Art zu schützen und nicht nur ein soziales Mindestniveau zu garantieren. Diese Politik resultiert oft nur in stärkerer Umverteilung. Das Ziel muss sein, Gesellschaft und Wirtschaft insgesamt mit Resilienz gegen externe Einflüsse auszustatten.
Gleichheit gehört seit der Antike zu den wichtigsten Anliegen des Rechts. Dennoch kann das Recht nicht alle denkbaren Gleichheitsansprüche befriedigen. Ein Kernanliegen juristischer Gerechtigkeit besteht darin, formale Rechtsgleichheit herzustellen. Darüber hin aus bedürfen rechtliche Gleichstellungsmaßnahmen im Einzelfall der Abwägung mit gegenläufigen Freiheitsrechten.
Welches ist das optimale Maß an Ungleichheit? Das ist eine normative Frage, die untrennbar mit unserer Vorstellung von sozialer Gerechtigkeit verbunden ist. Wäre es möglich, alle Freiheiten zu wahren, den Wohlstand zu mehren und gleichzeitig alle Einkommensunterschiede zu beseitigen, so würden wir das tun. Doch das ist eine schier unlösbare Aufgabe.
Chancengleichheit ist wettbewerbsorientiert und erfordert von den Menschen, denen wir helfen wollen, oft demütigende Fähigkeitstests. Daher sollten wir Gleichheit anders denken. Gleichheit bedeutet gleicher Respekt für jeden Einzelnen und jede Einzelne, und nicht die Verteilung von Dingen.
Ein spannungsreiches Verhältnis zwischen Gleichheitsversprechen und Ungleichheitserfahrungen charakterisiert seit dem 19. Jahrhundert viele gesellschaftliche Entwicklungen. Es entscheidet bis heute über die Glaubwürdigkeit von Regeln, Regimes und Akteuren.
Die Wirtschaftswissenschaft verfügt über unverzichtbare empirische Werkzeuge, um Ungleichheit zu verstehen und zu bekämpfen. Wenn sie aber keinen Weg findet, in diesem bemerkenswerten empirischen Instrumentarium auch Gerechtigkeit zu berücksichtigen, läuft sie Gefahr, in den Augen der Öffentlichkeit an Bedeutung zu verlieren.
Wer als oberstes Ziel mehr Vermögensgleichheit anstrebt, müsste sich damit anfreunden, den Institutionen den Kampf anzusagen, die Endogamie – also das klassenbewusste Heiraten – begünstigen.
Ein zeitweiser Rückgang sozialer Mobilität kann sich als Teil eines normalen Entwicklungsprozesses ergeben, in dem sich Gesellschaften hin zu meritokratischeren Strukturen mit breiteren Aufstiegschancen wandeln.
Wir brauchen in Europa Führungspersönlichkeiten mit dem moralischen Anstand, Menschen für ein gesellschaftlich erstrebenswertes Ziel zusammenzubringen. Sie werden Kommunikationsfähigkeiten brauchen, um dieses Ziel festzulegen, und sie werden die Bescheidenheit haben müssen, anderen Handlungsfähigkeit zu übertragen.
Der Kontext der liberalen repräsentativen Demokratie wandelt sich: Die Digitalisierung verändert demokratische Praktiken, Experten gewinnen an Einfluss, und der Entscheidungsspielraum nationaler Demokratien in einer globalisierten Welt wird kleiner. Diese Veränderungen gefährden den Grundsatz der demokratischen Gleichheit.
Handelsbeziehungen und -strukturen müssen gerecht umgesetzt werden, damit auf internationaler Ebene alle Länder so behandelt werden, dass sie annähernd den Status gleichberechtigter Mitglieder eines internationalen Handelsregimes haben.
Protektionismus taugt nicht als Mittel zur Bekämpfung von Ungleichheit. Dafür stehen effektivere und effizientere Instrumente zur Verfügung. Diese müssen aber auch tatsächlich eingesetzt werden, damit die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung bei möglichst vielen Menschen ankommen.
Das Recht versucht seit jeher, Gleichheit herzustellen – natürlich nicht auf umfassender Basis, sondern oftmals nur bezogen auf kleine Zirkel. Aber als Egalisierungsinstrument wird es immer benötigt werden.
Ergebnisgleichheit ist die Forderung der Stunde. Sie in den Vordergrund zu rücken, verwandelt Handlungsfreiheit zu dem, was an Gestaltungsmöglichkeiten nach Herstellung der Gleichheit übrigbleibt.
Es reicht nicht aus, wenn sich der Mensch als Teil der Natur sieht und dieser einen eigenen Wert zuschreibt. Der entscheidende Schritt ist die Anerkennung einer Handlungsmacht der Natur. Erst dann können Ungleichheiten im Verhältnis zur Natur angemessen thematisiert werden.
Francis Kéré will mit seiner Arbeit diejenigen ermutigen, die nicht die Möglichkeit haben, ihr Potenzial auszuschöpfen – er schafft buchstäblich Räume für Gleichheit in einer ungleichen Welt. Mit seinem Serpentine-Pavillon 2017 versuchte er, die Besucher mit der Natur und miteinander zu verbinden.
Die Gebäude der Kolonialzeit wurden mit hohen Mauern errichtet, um sowohl die Entscheidungsträger als auch ihr politisches »Pseudosystem« zu schützen. Meine öffentlichen Gebäude sollen hingegen Räume der Begegnung sein – jederzeit zugänglich und begehbar. Auf diese Art und Weise, so hoffe ich jedenfalls, werden die politischen Eliten gezwungen, richtige Entscheidungen zu treffen.