Der Internationale Strafgerichtshof hat einen Haftbefehl gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanyahu erlassen. Ist das ein Sieg für die internationale Gerechtigkeit – oder riskante Hybris? Lesen Sie hier die Meinung von Prof. Dr. Peter M. Huber:
Wie ist der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs zu werten?
Natürlich kann der IStGH bei dringenden Tatverdacht wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit einen Haftbefehl erlassen; objektive Anhaltspunkte liefert der Gaza–Krieg ohne Frage. Ob die Tatbestände wirklich erfüllt sind, lässt sich angesichts des Angriffs der Hamas auf Israel und mangels Kenntnis der Operationspläne, der Alternativen und der subjektiven Beweggründe natürlich erst in einem Gerichtsverfahren feststellen.
Die Staaten, die das Statut ratifiziert haben, sind zur Vollstreckung des Haftbefehls verpflichtet. Politisches Ermessen gibt es insoweit nicht.
Alternativlos aus der Sicht des IStGH war der Erlass des Haftbefehls angesichts der vielen offenen Fragen allerdings nicht. Politisch überhebt sich der Gerichtshof meines Erachtens auch, wenn er meint, vom grünen Tisch aus Den Haag in einen „heißen Konflikt“ eingreifen zu müssen, wo das Selbstbehauptungsrecht Israels jedenfalls eine zentrale Rolle spielt. Auch fragt man sich, warum gegen Präsident Putin trotz des Angriffskrieges und der Grausamkeiten, die er in der Ukraine begeht, kein Haftbefehl erlassen wird. Unter Gleichheitsgesichtspunkten erscheint mir das nicht unproblematisch.
Meine Erwartung ist, dass sich der IStGH damit keinen Gefallen getan hat und sich Staaten in der Zukunft wieder abwenden werden. Dass Deutschland Premierminister Netanyahu festnimmt, scheint mir ausgeschlossen.
Prof. Dr. Peter M. Huber – Bundesverfassungsrichter a. D.