Sieben Maßnahmen für Deutschlands Sanierung

Kürzlich ist die Biografie Der Consultant von Roland Berger, langjährigem Teilnehmer und Mitglied des CONVOCO Councils, erschienen. Anlässlich dieser Veröffentlichung hat sich CONVOCO mit Unternehmens- und Politikberater Roland Berger ausgetauscht. Lesen Sie hier: 

Sieben Maßnahmen für Deutschlands Sanierung

Wenn Sie morgen Donald Trump Deutschlands mit einer eindeutigen Mehrheit im Parlament wären, was wären Ihre sieben Maßnahmen, um Deutschland wieder auf Kurs zu bringen?

Deutschland hat – noch – die drittgrößte Wirtschaft der Welt nach den USA und China und vor Japan. Die deutsche Wirtschaft blickt aber auch auf ein „verlorenes Jahrzehnt“, jedenfalls auf „verlorene 5 Jahre“ zurück. (Clemens Fuest)

In der Tat wächst das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den letzten 5 Jahren kaum noch (+/- 0% p.a.). Dies liegt neben der Pandemie – vor allem an einem viel zu geringen Anstieg der Produktivität (+/- 0,x% p.a.), dem wichtigsten Wachstumstreiber. Diese steigt z.B. in den USA um knapp 2% p.a.

Ganz wesentlich ist, dass die deutsche Wirtschaft immer noch auf Produkte und Technologien setzt, die vor 150 Jahren (Automobil- und Maschinenbau) oder vor 100 Jahren (Chemie) entwickelt wurden und bei denen das Land bis vor einem guten Jahrzehnt noch Weltmarktführer war. Den Einstieg in die heutigen Technologien, wie Digitalisierung und KI, aber auch in Biotech, hat Deutschland bis heute nicht wirklich geschafft, weder durch Transformation bestehender Unternehmen noch durch neue größere innovative Unternehmen wie die großen 7 in den USA (Apple, Microsoft, Alphabet, Nividia, Amazon, Meta, Tesla) und China (Tencent, Alibaba, Baidu, Didi, Huawei und andere). Und völlig verpasst hat unser Land die Chance die Transformation und Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung mit allen negativen und teureren Konsequenzen für Bürger und Unternehmen (Deutschland ist ein Bürokratiemonster!)

Dazu kommt, dass die staatlichen Ausgaben seit mindestens 15 Jahren überwiegend und mit steigender Tendenz in den Konsum, vor allem in den Ausbau des Sozialstaats zum Wohlfahrtstaat, gingen aber sehr unterdurchschnittlich in Investitionen. Das gilt sowohl für physische Infrastrukturen wie Verkehr, Energie und Kommunikation als auch besonders immaterielle Bereiche vor allem Bildung und Forschung. Dies ist umso gravierender, da auch die privaten Investitionen stagnieren und jüngst auch zurückgehen. Private Public Partnerships gibt es kaum, obwohl die Privatvermögen der Deutschen 9,3 Billionen betragen.

Dazu kommen noch vier Faktoren, die die globale Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen ernsthaft gefährden und ausländische Investitionen in Deutschland zurückgehen lassen – ebenso wie die inländischen. Da sind zum einen die fast welthöchsten Steuerabgaben für hart arbeitende Bürger und Unternehmen; zum zweiten die höchsten Energiekosten (bei Industriestrom 3–4-mal höher als in den USA); zum dritten überdurchschnittliche Arbeitskosten durch extrem hohe Lohnnebenkosten und Abgaben; und viertens überbordende Regulierungen und Bürokratie, deren Kosten bei 146 Mrd. EUR p.a. liegen und allein 2023 um 24 Mrd. gestiegen sind.

Und last but not least bei einer noch amtierenden Regierung (Ex-„Ampel“), die mehr eine auf Detailvorgaben und -fristen fixierte staatliche Planwirtschaft setzt als auf die soziale Marktwirtschaft, die Deutschland groß gemacht hat.

Als Ergebnis: Deutschland befindet sich in einer Rezession und steuert auf eine Stagflation mit wenig Wachstum, hartnäckiger Inflation und – nur aufgrund unserer Demografie – mit langsam steigender Arbeitslosigkeit bei wachsendem Fachkräfte-Mangel zu.

Was also wäre zu tun von einer neuen Bundesregierung, die volle Entscheidungsmacht besäße, d.h. satte Mehrheiten im Bundestag und Bundesrat?

1. Die besten Köpfe in die Regierung
Die in Deutschland übliche Praxis, nach einer Wahl die Führungsebenen in Ministerien mit Parteigenossen zu besetzen, muss beendet werden. Nicht wie z.B. Wirtschaftsminister Habeck, der die Führung seines Ministeriums 120 Grünen anvertraut hat, statt sie mit erfahrenen Volkswirten zu besetzen. Wir brauchen erfahrene, ideologiefreie nach akzeptierten, objektiven Kriterien und Zielen arbeitende Spitzenkräfte zur Erfüllung ihrer Aufgaben in politischen Institutionen wie z.B. Ministerien, Regulierungsbehörden und Ämtern wie die Bundesanstalt für Arbeit.

2. Übergang von Planwirtschaft zur Sozialen Marktwirtschaft
Entscheidend für Deutschland und seine Wirtschaft ist eine Ordnungspolitik nach den Leitlinien der sozialen Marktwirtschaft, die den Wettbewerb zwischen Unternehmen und unter Bürgern und das Auffangen der sozial in Not geratenen Menschen nach den Grundsätzen „Fördern und Fordern“ zu ihrer Priorität macht. Deutschland muss weg von seiner heutigen Planwirtschaft, die die Wirtschaft mit Subventionen lenken und Forschung, Unternehmen und Verbrauchern z.B. Technologien und Produkte mit deren Umsetzungsfristen im Detail vorschreiben will. Das behindert unsere Wirtschaft, das bremst Forschung und Entwicklung und entmündigt unsere Bürger.

3. Ein Umschalten von staatlichem Konsum auf investive Ausgaben
Deutschlands Infrastruktur ist nicht mehr leistungsfähig und behindert die Wettbewerbsstärke unserer Wirtschaft. Eine leistungsfähige und verlässliche physische Infrastruktur für Verkehr, Energie und Kommunikation sowie in dem immateriellen Bereich für Bildung und Forschung ist Voraussetzung für eine prosperierende Wirtschaft. Die dazu notwendigen Investitionen fordern für die physische Infrastruktur etwa 400 Mrd. EUR in den nächsten 5 bis 10 Jahren und ca. 100 Mio EUR im gleichen Zeitraum für Bildung von Kitas über Schulen bis zu Universitäten. Zur Finanzierung dieser Summen sind die Prioritäten in den Haushalten von Bund, Ländern und Kommunen zu Gunsten investiver Ausgaben umzuschichten. Zur Finanzierung sollte die Schuldenbremse auf jeden Fall erhalten, aber Ausnahmen für investive Ausgaben zugelassen werden. Zudem sollte im Rahmen von Public Private Partnerships oder Privatisierungen auch privates Kapital mobilisiert werden. Und als letztes sollte das Schaffen von staatlichen „Sonder-Vermögen“, die ja „Sonderschulden“ sind ins Auge gefasst werden. Zeitlich hinaus zögern sollte besser nicht erwogen, dagegen eine systematische mehrjährige Projekt- und Finanzierungsplanung eingeführt werden.

4. Investitionen in unsere Sicherheit
Wir leben in extrem gefährlichen Zeiten. Unsere Sicherheit und die europäische Friedensordnung werden aktiv und massiv angegriffen. Daher muss die neue Regierung ihrer Verantwortung für den Schutz ihrer Bürger gerecht werden und mindestens 200 Mrd. EUR in den nächsten Jahren aufbringen, um die Bundeswehr wieder verteidigungsfähig und kriegstauglich zu machen. Zu der Finanzierung dieser Investitionen stehen die gleichen Wege wie in Punkt 3. erwähnt – mit Ausnahme privater Mittel – zur Verfügung. Der Vorschlag der Grünen, 3,5% des BIPs in unsere Verteidigung zu investieren, sollte ernst genommen werden.

5. Bürokratieabbau und Schrumpfen der öffentlichen Verwaltung durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI)
Der Großteil der – erfreulichen – Zunahme der Beschäftigung in Deutschland ist auf den Stellenaufbau in der öffentlichen Verwaltung zurückzuführen. Es sind also vorwiegend nicht produktive, von Steuerzahlern finanzierte Arbeitsplätze entstanden – und das seit gut einem Jahrzehnt! Das ist einmal auf die Zunahme von Regulierungen, Vorschriften und Staatseingriffen – auch auf EU-Ebene – für Wirtschaft und Bürger zurückzuführen. Zum anderen auf Versäumnisse der Regierung, die Produktivität der Verwaltung zu steigern. 

Es fehlt an einem kritischen Hinterfragen der Verwaltungsaufgaben und deren Reduzierung. Vor allem aber ist die öffentliche Verwaltung in Deutschland Schlusslicht bei der Anwendung von Informationstechnologie, Digitalisierung und KI.
Dadurch sind Geschwindigkeit und mangelnde Effizienz der öffentlichen Aufgaben für Bürger und Unternehmen zu langsam und zu teuer. Ein Produktivitätsanstieg um 20% sollte möglich sein, ebenso wie eine massive Verbesserung der Qualität der öffentlichen Dienste. Bürokratieabbau und Produktivitätssteigerung der Verwaltung sind vorrangig für jede neue Regierung.

6. Flexibilisierung der Arbeitsgesetze, Leistungsorientierung der Entlohnung und Modernisierung des Sozialstaats, vor allem bei der Altersvorsorge
Die Wissensgesellschaft und deren Hightech-Wirtschaft brauchen flexiblere Arbeitsgesetze bezüglich Arbeitszeiten, Arbeitsinhalten und Entlohnung. Steigerung der Arbeitskosten sollten bis 2030 durch Produktivitätsanstieg kompensiert sein und Inflationsausgleich garantieren. Um Kaufkraftsteigerungen für Arbeitnehmer zu ermöglichen, bedarf es vor allem eines durch Hightech getriebenen Produktivitätswachstums, einer effektiven Inflationsbekämpfung durch die EZB und einer Reduzierung der Lohnnebenkosten, Abgaben und Steuern, finanziert durch die vorgeschlagenen Haushaltsumschichtungen von konsumtiven zu investiven Ausgaben. Dazu kommt eine Reform der gesetzlichen Altersversicherung: die wichtigste Maßnahme zur Absicherung von Renten und Pensionen ist eine dritte Säule für die Altersvorsorge neben der gesetzlichen und betrieblichen auch eine private über einen spezifischen Investitionsfond, in den Arbeitnehmer und ggf. Arbeitsgeber einbezahlen. Vorbilder dafür bieten die skandinavischen Länder wie Schweden und Dänemark.

7. Strukturwandel von der traditionellen Industriegesellschaft zur Hightech- und Wissensgesellschaft vorantreiben
Diesen Wandel mit marktwirtschaftlichen Mitteln zu erreichen, ist die Hauptaufgabe einer innovativen Forschungs-, Technologie- und Wirtschaftspolitik. Nur dadurch kann Deutschland seine globale Wettbewerbsfähigkeit wieder gewinnen. Beschäftigte werden dadurch – auch negativ – betroffen sein. Deshalb brauchen wir proaktive Qualifizierung von Arbeitskräften, Übergangshilfen von alten Jobs zu innovativen durch „Fördern und Fordern“ und einen „reformierten“ Sozialstaat, der seine Bürger für Notfälle absichert.

Was ist Ihre Vorhersage, wo steht Deutschland in fünf Jahren?

Deutschland wird 2025 nicht die starke Regierung mit satten Mehrheiten einer Partei im Bundestag und Bundesrat haben. Daher wird eine neue deutsche Regierung eine Koalitionsregierung sein, mit der sich die im ersten Teil dieses Essays beschriebenen, radikalen Reformen nur beschränkt umsetzen lassen werden. Überwiegend wird es zu Kompromissen kommen.

In einer neuen Regierung 2025 wird die CDU den Kanzler und gut ein Drittel der Abgeordneten stellen. Die CDU benötigt zum Regieren einen Koalitionspartner, der entweder die SPD oder die „Grünen“ sein können.

In einer Schwarz-Roten Koalition wird die SPD Reformen, die den Sozialstaat betreffen kaum mittragen und damit einen Großteil der notwendigen Veränderungen abschwächen oder gar verhindern.

Die „Grünen“ – zumindest ihr Realo-Flügel – werden in einer Schwarz-Grünen Koalition einen signifikant größeren Teil der vorgeschlagenen Reformen mittragen. Denn sie sind technologieaffiner und für Veränderungen offener, sie fordern sogar Investitionen in die Verteidigung von 3,5% des BIP, und sie sind zu Innovationen des Sozialstaats eher bereit, was sie schon durch das Mittragen der Agenda 2010 der Rot-Grünen Regierung unter Kanzler Gerhard Schröder bewiesen haben. Bei der Umsetzung von Transformationen gegen den Klimawandel sollten sie als Ex-Mitglied der „Ampel“ aus ihren Fehlern gelernt haben und deshalb für marktwirtschaftlich orientierte Programme, vor allem über einem steigenden CO2 Preis zu gewinnen sein.

Eine deutsche Wirtschaft und Gesellschaft 2030 sollte unter diesen politischen Verhältnissen folgendes erreicht haben

  1. Ein nachhaltiges Wachstum von 2% p.a. und darüber
  2. Keine Stagflation, d.h. die Beschäftigung wird hoch bleiben und die Inflation im Zaum gehalten
  3. Ein beschleunigter Wandel von der traditionellen Industrie-Wirtschaft zu einer Hoch-Technologie- und Wissens-Wirtschaft ist in Ansätzen geschafft
  4. Die konsumtiven staatlichen Ausgaben insbesondere für den Sozialstaat bleiben stabil zu Gunsten eines steigenden investiven Anteils am Staatshaushalt
  5. Bürokratie ist signifikant reduziert, der Apparat der öffentlichen Verwaltung auf das heutige Niveau eingefroren und der Staatsanteil am BIP gesenkt
  6. Die öffentlichen und privaten Investitionen für die Infrastruktur und in den Kapitalstock unserer Wirtschaft sind quantitativ und qualitativ gestiegen
  7. Die externe Sicherheit Deutschlands ist durch eine gestärkte, nahezu verteidigungsfähige Bundeswehr verbessert. Ebenso die innere Sicherheit durch eine Stabilisierung, möglichst eine Reduzierung der Anzahl der Zuwanderer und deren Umschichtung von Quantität auf Qualität und Know-how als Wachstumstreiber unserer Wirtschaft.

Dies wäre im Ganzen gesehen doch eine positive Entwicklung unserer Wirtschaft und Gesellschaft.

Anfang der 1990er Jahre waren das wiedervereinigte Deutschland und die USA noch etwa gleich wohlhabend. Heute ist die Wirtschaftsleistung in den USA pro Kopf gerechnet um etwa 50% höher. Jeder Amerikaner erwirtschaftet im Durchschnitt rund 30.000 EUR pro Jahr mehr als ein Deutscher.

Dies zeigt deutlich, dass durch die richtige Politik, den Veränderungswillen von Unternehmen, deren Mitarbeitern und der Bevölkerung insgesamt sowie durch den Fokus von Wissenschaft, Unternehmen und Investoren auf modernste, zukunftsträchtige Technologien und Innovationen eine Wirtschaft und Gesellschaft signifikant zum Besseren gestaltet werden können.

Prof. Dr. h.c. Roland Berger

Previous Wie können wir eine lebbare Welt gestalten? – Flicks C! Forum 2024

KONTAKT

Convoco gemeinnützige Stiftung-GmbH

Zur Förderung der Wissenschaft und Bildung

Brienner Str. 28
80333 Munich
Germany

NEWSLETTER

Melden Sie sich jetzt für den exklusiven Newsletter an. Wir verwenden Ihre persönlichen Daten wie in unserer Datenschutzrichtlinie beschrieben.

© 2024. All Rights Reserved