In diesem CONVOCO! Podcast spricht Corinne M. Flick mit Andreas Reckwitz, Professor für Soziologie an der Humboldt-Universität zu Berlin und Autor des Buches “Die Gesellschaft der Singularitäten”, zum Thema:
Ohne Optimismus in die Zukunft?
Hier einen Auszug seiner Gedanken:
Literatur und Film spannen [heute] eine Welt auf, die es für denkmöglich hält, dass die Zukunft schlechter sein wird als die Gegenwart, und dass sogar Katastrophen einsetzen werden… Diese Veränderung des kulturellen Imaginären ist ein Indikator dafür, dass das Fortschrittsnarrativ der modernen Gesellschaft erodiert.
Die moderne Gesellschaft basiert auf einer Art Doppelversprechen von Fortschritt und Berechenbarkeit … Doch gerade die besonders berechenbaren Systeme, die komplex und strikt gekoppelt sind, haben als Kehrseite, dass sie auch leicht kollabieren können.
Das Erzählmuster des Kipppunktes ist eine herausfordernde Zukunftsbeschreibung, weil es dem linearen Denken widerspricht … Das Konsensdenken ist: kleine Ursache=kleine Wirkung, große Ursache=große Wirkung. Aber bei Kipppunkten besteht eine Disproportionalität zwischen Ursache und Wirkung.
Wird die Zukunft skeptischer betrachtet, erscheint die Vergangenheit wichtiger. In der Spätmoderne wird die Vergangenheit als ein Erbe verstanden, das auch in die Gegenwart weiterwirkt und wirken soll. … Gleichzeitig haben wir aber auch Diskurse, in denen die Vergangenheit ein problematisches Erbe ist, das die Gegenwart heimsucht.
Eine moderne Gesellschaft wird ohne eine bestimmte Form positiver Zukunftserwartungen nicht existieren können … Der Begriff „Resilienz“ könnte ein politisches Programm sein. Denn größere Resilienz ist rein formal gesehen auch eine Fortschrittserwartung. … Das ist ein skeptischeres Fortschrittsmodell, aber eines, das durchaus einiges für sich hat.